Gemeinsam mit Kollegen aus dem Stuttgarter Landtag, einem französischen Abgeordneten der Region Grand Est und einem Schweizer Mandatsträger besuchte ich das französische Kernkraftwerk Fessenheim in der Nähe von Colmar.
Ausgesprochen aufschlussreich war der Vortrag des Direktors des Kernkraftwerks, Marc Simon-Jean, der über die geplante Abschaltung der beiden Atomreaktoren von Fessenheim im Laufe des kommenden Jahres referierte. Der Standortdirektor von Electricité de France (EDF) schilderte in unmissverständlichen Worten, welche Einschränkungen in der Energieversorgung durch die Stilllegung von Fessenheim zu erwarten sind. Auf meine Bemerkung, dass er in puncto Elektrizitätsversorgung gerade eine Mangelwirtschaft prognostiziere, entgegnete Monsieur Simon-Jean mit entwaffnender Ehrlichkeit, dass man die Wäsche in Zukunft eben ab und an mit der Hand werde waschen müssen.
Geradezu schockierend waren die Erläuterungen zur französischen Energiepolitik, wonach der Anteil der Kernenergie an der französischen Stromerzeugung von jetzt 75% auf 50% sinken solle. Um dieses Ziel zu realisieren, unterstellt der Pariser Gesetzgeber einfach eine Reduzierung des Stromverbrauchs in Frankreich um 50% innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte – ein Szenario, das völlig abwegig ist. Auf meine entsprechende Nachfrage, wie das auch nur ansatzweise zu realisieren wäre, zuckte der Vertreter des französischen Stromriesen EDF mit den Schultern und erwiderte, so stehe es eben im Gesetz. Mit anderen Worten: Sollten die Pläne mit diesen aberwitzigen Annahmen in Frankreich tatsächlich umgesetzt werden, wäre das ein Crash mit Ansage. Und so gab der Chef des Kernkraftwerks Fessenheim mir und den anderen deutschen Vertretern die unmissverständliche Warnung mit auf den Weg: „Rechnen Sie lieber nicht damit, dass Frankreich Ihnen im Ernstfall Strom liefern kann.“
Und dieser Ernstfall wird früher eintreten, als so manchem lieb sein wird, geht das nordbadische Kernkraftwerk Philippsburg doch spätestens in der Silvesternacht 2019 endgültig vom Netz. Somit fehlen auf einen Schlag knapp 17% der Stromerzeugung in Baden-Württemberg. Ersatz für die wegfallenden Kapazitäten ist weit und breit nicht in Sicht, denn das sogenannte „Ultranet“ wird 2023 fertig – frühestens. Folgerichtig erklärte Achim Zerres von der Bundesnetzagentur schon am 14.08.2019 im Deutschlandfunk: „Da wird Baden-Württemberg an einem seidenen Faden hängen, ob wir dort Stromversorgung immer sicherstellen können.“
Hinter vorgehaltener Hand verweisen die Apologeten der verkorksten Energiewende auf den Fluren des Landtags gern auf die Möglichkeit, die Versorgungslücke mit Atomstrom aus Frankreich zu decken. Was von dieser bizarren Hoffnung zu halten ist, hat der französische Energiegigant EDF in Fessenheim deutlich gemacht: nichts!
Sven Geschinski
Stadtrat
Bildrechte: EDF